TRANSPARENZ HERSTELLEN

Einheitliche Leitverträge statt Vertragswirrwarr!

Ein „Dschungel“ aus mehr als 1.000 Einzelverträgen plus Einzelkostenvoranschlägen macht die Versorgungslandschaft schwerfällig und kaum vergleich- bzw. kontrollierbar* – für Kostenträger, Betriebe und Patient:innen. Wir fordern daher die Einführung übergreifender Leitverträge für jeden Versorgungsbereich, die Kostenträger und maßgebliche Spitzenorganisationen der Leistungserbringer verhandeln. Dies schafft Transparenz und reduziert Bürokratie. Die Leitverträge definieren Leistungsumfänge sowie Ergebnisqualität und setzen einheitliche, überprüfbare Standards für eine wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung – ausgerichtet am Primat einer qualitätsgesicherten, flächendeckenden, wohnortnahen Versorgungsstruktur und einer starken Selbstverwaltung. Dies erlaubt effektives Qualitätscontrolling durch die Krankenkassen und entspricht im Sinne der Patient:innen den Grundsätzen des Sozialgesetzbuchs (SGB) V und des SGB IX (gleichartige Versorgung im Sachleistungsprinzip; wirtschaftlich, zweckmäßig, nach medizinischem Stand; Recht auf gesellschaftliche Teilhabe). Bei Vertragsstreitigkeiten soll ein paritätisch besetzter Vertragsausschuss zur schnellen Problemlösung beitragen. Bei Verhandlungsabbruch und drohenden Versorgungslücken soll eine ständige paritätische Schiedsstelle, deren Entscheide zu verbindlichen Versorgungsverträgen führen, vermitteln.

Bisher bestätigt die Präqualifizierung (PQ) die differenzierte Eignung eines Leistungserbringers im jeweiligen Bereich der Hilfsmittelversorgung. Die eigentliche Versorgungstätigkeit ist jedoch an einen Vertrag mit einem Kostenträger geknüpft. Für viele Häuser ist es wirtschaftlich derzeit nicht darstellbar, in allen Segmenten dieses Flickenteppichs, der die gegenwärtige Vertragslandschaft prägt, Versorgungsverträge zu vergleichen, ihnen beizutreten und schon gar nicht, sie selbst zu verhandeln. Konsequenz: Nicht jeder, der versorgen könnte, tut dies. Um dieses Problem zu lösen, fordern wir: Wer eine PQ erwirbt, muss auch versorgen (dürfen) – nach Maßgabe der einheitlich geltenden Leitverträge.

VERSORGUNGSLÜCKEN SCHLIESSEN

Jede Fachkraft nutzen!

QUALITÄT DEFINIEREN

Standards versorgungszentriert bestimmen!

Zurzeit orientiert sich Versorgungsqualität am Hilfsmittelverzeichnis (HMV) und den darin gelisteten Medizinprodukten. Der GKV-Spitzenverband legt die Anforderungen an die Versorgung bis zu den nötigen Fortbildungen fest. Diese produktorientierte Vorgehensweise vernachlässigt den Versorgungsprozess und verliert die Versorgungsziele aus den Augen, denen die bedarfsgerechte Hilfsmittelversorgung eigentlich dient. Wir fordern daher, Prozess und Ziele (unter Beachtung von Indikation und Lebensumfeld) in den Vordergrund zu rücken, denn dies ist grundlegend für die Qualität einer medizinischen Versorgung sowie zentral für einen Funktionsausgleich und die Erfüllung der Teilhaberechte von Menschen mit Behinderung. Moderne Versorgungskonzepte sind keine Produkt-„Anhängsel“, sondern müssen künftig Leitlinien, Versorgungspfade sowie Empfehlungen medizinischer Fachgesellschaften verbindlich einbeziehen.

Ein einheitlicher Vertrags- und Versorgungsstandard mit sektorenübergreifendem Ansatz ist Basis für „Ambulant vor Stationär“-Konzepte, entlastet die Pflege und verhindert Schnittstellenbrüche. Voraussetzung hierfür ist jedoch die regelhafte Einbeziehung der Expertise der Leistungserbringer. Wir fordern daher das Recht auf Mitbestimmung über die GKV-Leistungen für Versicherte im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), dem höchsten Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen, mindestens in den Unterausschüssen „Veranlasste Leistungen“ und „Qualitätssicherung“.

MITSPRACHE SICHERN

Hilfsmittelversorgung aufwerten!

Unser komplettes Reformkonzept steht hier zum Download bereit.

Nachgefragt: WvD-Reformkonzept „Versorgung sichern“

Wie können wir sicherstellen, dass Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, (chronischen) Erkrankungen und Behinderungen in Deutschland angemessen mit Hilfsmitteln versorgt werden – und dies bezahlbar bleibt? Das Bündnis „Wir versorgen Deutschland“ hat sein Konzept der Leitverträge Anfang 2023 im Positionspapier Versorgung sichern: Vorschläge für eine nachhaltige Hilfsmittelreform präsentiert. Unser Ziel: Wer eine Hilfsmittelversorgung benötigt, soll diese auch künftig unkompliziert in guter Qualität in seiner Nähe erhalten.

In dieser FAQ beantworten wir Fragen zu unserem Reformkonzept und erläutern, wie es die Versorgung einheitlicher und besser gestalten kann.

Wie stärken Leitverträge den Wettbewerb?

Leitverträge sorgen für einen fairen Wettbewerb nach einheitlichen Standards – im Interesse der gesetzlich Versicherten. In den letzten Jahren ist durch das bestehende System ein unübersichtlicher Dschungel aus mehr als 1.000 Verträgen gewachsen, was zu einem teuren Bürokratiewirrwarr geführt hat. Zugleich haben Patientinnen und Patienten den Überblick über die ihnen zustehenden Leistungen längst verloren. Vergleichen können sie schon gar nicht. Leitverträge dagegen schaffen klare Bedingungen, das gilt auch für alle Mitbewerber im Markt. Damit entsteht Transparenz ganz im Sinne des europäischen Wettbewerbs sowie eines hohen Standards im Gesundheitswesen in Deutschland.

Rutscht durch Leitverträge die Wirtschaftlichkeit in den Keller?

Die meist klein- und mittelständisch organisierten Betriebe der Hilfsmittelversorgung müssen viel Zeit darauf verwenden, sich mit dem ausufernden Vertragswesen zu befassen. Zeit, in der sie sich nicht der Versorgung der Versicherten widmen können. Darüber hinaus bewirkt die Marktkonzentration auf Seiten der Krankenkassen ein grobes Ungleichgewicht bei den Verhandlungen zwischen Kostenträgern und Leistungserbringern, welches weiter zunimmt. Immer öfter werden einzelne Leistungserbringer mit Diktatverträgen konfrontiert. Insgesamt orientieren sich die Vertragsverhandlungen derzeit zu stark auf möglichst niedrige Kosten. Das geht zu Lasten der Versorgungs- und Produktqualität und ist damit nicht wirtschaftlich. Denn wenn dann Folgeversorgungen nötig werden, entstehen zusätzliche finanzielle sowie personelle Belastungen für das Gesundheitswesen. Leitverträge dagegen ermöglichen Verhandlungen auf Augenhöhe, um gemeinsam Qualität und Wirtschaftlichkeit in den Mittelpunkt zu rücken.

Wie bremst das Reformkonzept den Preisanstieg in der Versorgung?

Unser Reformkonzept sorgt für einen effektiven Bürokratieabbau und echte Transparenz. So werden Verwaltungskosten gespart und Ressourcen für die eigentliche Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln freigesetzt. Dies wirkt einem Kostenanstieg klar entgegen, was vor dem Hintergrund des demografischen Wandels dringend geboten ist. Wir haben es mit einer zunehmend älteren Bevölkerung zu tun, die länger im Erwerbsleben verbleibt. Damit verbunden sind höhere Erkrankungszahlen – zum Beispiel Gelenkverschleiß, Diabetes, Tumore. Um den Betroffenen Mobilität und auch Arbeitsfähigkeit zu erhalten, steigt der Bedarf an Hilfsmitteln wie Orthesen, Prothesen, orthopädischen Einlagen, Kompression, Stomaversorgung. Hinzu kommt der ebenfalls politisch gewollte Weg zu mehr ambulanten und konservativen Behandlungsmethoden, um unnötige sowie kostspielige Operationen zu vermeiden und mehr Menschen zuhause zu versorgen. Nicht zuletzt werden Kostentreiber mithilfe durchschaubarer Standards sicht- und damit kontrollierbar.

Wie sichert das Reformkonzept schnelle und lösungsorientierte Vertragsverhandlungen?

Leitverträge ermöglichen klare und zügige Verhandlungen zwischen Kostenträgern und Leistungserbringern. Das zeigen langjährige Erfahrungen aus anderen Gebieten der Gesundheitsversorgung. So verhandeln im ärztlichen Bereich ebenfalls ausschließlich maßgebliche Spitzenorganisationen mit den Kostenträgern bzw. Krankenkassen. Nur Verhandlungen auf Spitzenebene gewährleisten, dass die Parteien den „Blick fürs Ganze“ bewahren. Zudem sehen unsere Vorschläge für Streitfälle eine ständige und gleichberechtigt besetzte Schiedsstelle vor. Diese greift ein, wenn Vertragsverhandlungen ins Leere laufen sowie Versorgungslücken für Versicherte drohen. Ihre Schiedssprüche sind verbindlich. Somit gibt es immer geltende Versorgungsverträge und keine Seite kann durch gewollten Stillstand bei den Verhandlungen Zugeständnisse erzwingen.

Wie fördert das Reformkonzept Innovationen in der Versorgung?

Durch unser Reformkonzept können Neuerungen schneller in die Regelversorgung kommen und somit allen Patientinnen und Patienten zur Verfügung stehen. Die Spitzenorganisationen der Leistungserbringer bringen zudem ihre gebündelte Versorgungskompetenz in die Verhandlungen ein. Leitverträge sind darauf ausgerichtet, den Rahmen für eine Versorgungsqualität zu definieren, die dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Dabei wird der medizinische Fortschritt berücksichtigt – wie es die deutsche Sozialgesetzgebung im Sinne der gesetzlich Versicherten fordert. Zusätzlich können herausragende Konzepte durch Pilotprojekte gefördert und erprobt werden, um weitere Anreize und Raum für Innovationen zu schaffen. Damit lässt sich flexibel und gleichzeitig zielorientiert auf neue Ideen und Anforderungen reagieren.

Warum schaden Ausschreibungen der Hilfsmittelversorgung?

Ausschreibungen verletzen das Prinzip der Wirtschaftlichkeit in der Hilfsmittelversorgung, das in Deutschland im Gesetz verankert ist. Sie sorgen für Fehlversorgungen, die der Gesundheit und Sicherheit schaden sowie die Solidargemeinschaft teuer zu stehen kommen. Nicht umsonst hat der Gesetzgeber die Ausschreibungen bei Hilfsmitteln aufgrund der katastrophalen Auswirkungen auf die Produkt- und Versorgungsqualität sowie zahlreicher Beschwerden von Betroffenen 2019 verboten. Ausschreibungen sind allgemein darauf ausgerichtet, den niedrigsten Preis zu erzielen – „Hauptsache billig“. Ein „billig vor Qualität“ in der Hilfsmittelversorgung führt aber in der Regel zu Folgeschäden – und zu unkontrolliert steigenden Ausgaben. Wird zum Beispiel bei der Inkontinenzversorgung gespart, drohen Entzündungen, Wunden und damit zusätzlich nötige Behandlungen. Die Pflegekräfte werden ebenfalls belastet. Ausschreibungen haben sich nicht „nur“ als unfair gegenüber den Patientinnen und Patienten herausgestellt, sie sind auch alles andere als wirtschaftlich.

Hier können Sie sich das FAQ runterladen.